Woran wir uns erinnern

Das frühere Lager Zgoda zeigt beispielhaft die komplexe Geschichte des 20. Jahrhunderts: Auf dem Gelände, das von 1943 bis Januar 1945 als KZ Eintrachthütte genutzt wurde, befand sich ab Ende Januar 1945 ein Internierungslager für die deutsche Bevölkerung. Die Häftlinge kamen aus verschiedenen Orten Oberschlesien, unter ihnen waren auch Frauen und Kinder.

Für die deutsche Minderheit in Oberschlesien ist das Lager in Eintrachthütte nicht nur ein geschichtsträchtiger, sondern auch ein identitätsstiftender Ort. Aber auch für die polnische Bevölkerung ist das Lager ein Bezugspunkt für die eigene Geschichte. Mit Blick auf den 70. Jahrestag der Oberschlesischen Tragödie im kommenden Jahr wird die Auseinandersetzung mit dem Ort weiter geführt.

Nach der traditionellen Gedenkveranstaltung am 14. Juni 2014 fand ein zweitägiges Seminar zur Geschichte und  Gegenwart des Ortes statt. Ziel war es, das Lager Zgoda als Ort des Leidens der Deutschen in Oberschlesien ebenso wie die Vorgeschichte, die Nutzung als nationalsozialistisches Konzentrationslager, in den Blick zu nehmen. Teilnehmer aus Oberschlesien, Krakau und Breslau diskutierten, wie angemessenes Erinnern heute aussehen kann und welche Bedeutung das Lager für verschiedene Gruppen hat. Ausgehend vom konkreten Fall wurden grundlegende Fragen aufgeworfen: Wie geht man mit Orten um, die eine kontroverse Vergangenheit aufweisen? Wie können die Ansprüche verschiedener Opfergruppen einbezogen werden? Welche Geschichte bleibt der Nachwelt erhalten? Wichtig ist, an alle Aspekte des Lagers zu erinnern, das sowohl in nationalsozialistischer Zeit als auch in der Anfangszeit Volkspolens existierte.

Die Zeitzeugin Krystyna Mika berichtete zu Beginn des Seminars über die Inhaftierung ihres Großvaters und ihre Außensicht auf das Lager. Als Jugendliche brachte sie Essen für den Großvater, das ihm polnische Wachleute zusteckten. Sie schilderte das lange Schweigen, das sich sogar in der Familie über die Geschichte des Lagers legte, plädierte aber für einen Rückblick im Gedanken der Versöhnung. Der Historiker Alan Zych von der Initiative Genius Loci führte in die Geschichte des Lagers ein und leitete eine Exkursion zum Tor des Lagers und den wenigen erhaltenen Spuren auf dem angrenzenden Gelände. Das Lagertor wurde 2009 zur Straße hin versetzt und dient heute als Denkmal. Drei Gedenktafeln in deutscher, polnischer und englischer Sprache erinnern an die Geschichte des Ortes und die Opfer. Dr. Renata Kobylarz-Buła vom Zentralen Kriegsgefangenenmuseum in Oppeln-Lamsdorf hielt einen Vortrag zum Beitrag Museen bei der Aufarbeitung von Geschichte und Gestaltung von Erinnerungskultur. Sebastian Rosenbaum vom Institut für Nationales Gedenken (IPN) in Kattowitz berichtete über den aktuellen Forschungsstand zum Lager. Das IPN hat das Leiden im Lager umfassend dokumentiert. Es entstanden auch didaktische Materialien für den Einsatz im Unterricht.

Das Seminar hat gezeigt, dass nicht nur in der Region und bei der deutschen Minderheit großes Interesse an dem Themenkomplex besteht. Es hat aber auch gezeigt, dass ritualisiertes Gedenken allein keine Erinnerung lebendig hält.

Organisiert wurde das Seminar von Saskia Herklotz, ifa-Kulturmanagerin beim DFK in der Woiwodschaft Schlesien und Benjamin Schriefer, ifa-Kulturmanager bei der DSKG Breslau. Das

Projekt wurde mit finanzieller Förderung des Auswärtigen Amtes durch das Institut für Auslandsbeziehungen e.V. (ifa) sowie einer Zuwendung des Sächsischen Innenministeriums durchgeführt.


Źródło:
Wochenblatt, 27 czerwca - 10 lipiec 2014 r., nr 12 (303), s. 1

wstecz